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Banken sollen sich verstärkt vor Nachhaltigkeitsrisiken schützen. So steht es im entsprechenden Bafin-Merkblatt von 2019 – und so steht es sinngemäß auch in der 7. MaRisk-Novelle. Die Komplexität der Risikofaktoren wächst allerdings massiv. Eine gute Datenlage und die richtigen Instrumente sind damit wichtiger denn je, um die Risiken zu managen. Oder noch besser: Die Banken nutzen beides strategisch und differenzieren sich im Risikomanagement und im Kreditvertrieb.
Die Ausgangslage ist dabei für alle Akteure gleich: Die Bafin verlangt, dass Banken ihre ESG-Risiken kennen und berücksichtigen. Steigen beispielsweise die Energiepreise durch geopolitische Schocks oder aus anderen Gründen, steigt auch die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls bei Immobilienbesitzern. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl von Extremwetter-Ereignissen, ausgelöst durch den Klimawandel (geolokale Risiken). Dadurch entsteht ein gefährlicher Cocktail aus Nachhaltigkeitsrisiken.
Mit den bereits in Kraft getretenen Regulierungen möchte die Bafin feststellen, wie toxisch dieser Cocktail in den einzelnen Instituten ist und was diese unternehmen, um sich nicht zu vergiften. Nachhaltigkeitsrisiken sollen deshalb mithilfe wissenschaftlicher Methoden messbar gemacht und in Szenarien verdeutlicht werden.
Die Vorschriften zeigen bereits Wirkung, wie zum Beispiel bei der Kreditvergabe an Unternehmen. Saldiert haben 30% der Banken ihre Kreditvergabepolitik für Unternehmen verschärft, die stark zum Klimawandel beitragen und wenig unternehmen, das zu ändern. Dies ergibt der „Financial institution Lending Survey“ der Bundesbank. Netto wollen 70% der Institute die Zügel gegenüber Klimasündern in den kommenden zwölf Monaten anziehen, beispielsweise in Type höherer Zinsen oder indem sie die Kreditbewilligung an andere risikosenkende Bedingungen knüpfen. Die Vergabepolitik hat sich gegenüber „grünen“ Unternehmen dagegen nicht bis kaum verändert, so die Befragung. Dabei könnten die Banken aus den obligatorisch erhobenen Daten aktiv mehr machen, um sich im Markt zu differenzieren.
Risikobewertung, bevor der Kunde ins Kreditportfolio kommt
Die Kür beginnt bei der strategischen Nutzung der Transparenz- und Vorsorgepflicht sowie bei der operativen Umsetzung der regulatorischen ESG-Vorschriften. Im Idealfall ermitteln die Banken bereits beim Ausfüllen der Onboarding-Formulare mit ihren Kunden, ob und in welchem Ausmaß sie sich ein Klimarisiko oder ein anderes Nachhaltigkeitsrisiko ins Portfolio holen.
Eine solche Risikobewertung lässt sich automatisiert in die Kreditvergabe integrieren, beispielsweise bei Immobilienkrediten, aber auch für Fahrzeuge oder elektronische Geräte. Über eine Analytics-App oder eine Datenintegrationsplattform lassen sich für das Beispiel „Immobilienfinanzierungen“ Werte wie Niederschlagshöhe, Lagebilder über Messstationen und weitere Umweltdaten mit Geodaten wie PLZ-Gebieten und Objektinformationen verknüpfen. Analog lassen sich various weitere Quellen mit dynamischen risikorelevanten Daten anbinden, wie beispielsweise Starkregenanalysen. Im Ergebnis entsteht ein umfassendes Risikobild in der gewünschten Auflösung.
Transparenz belebt das Geschäft
Banken wissen damit, unter welchen Bedingungen sie weitere Kredite in einer Area vergeben können oder ob der strategische Risikohunger gestillt ist. So lässt sich auch feststellen, ob die hauseigene Kreditvergabepolitik angepasst werden muss. Asymmetrisches Risikoverhalten lässt sich auf diese Weise glätten. Banken können zudem Klumpenrisiken vermeiden, die unter anderem auftreten, wenn Institute besonders viele Objekte in einer hochwassergefährdeten Area finanzieren. Weiterhin lässt sich analysieren, ob besonders viele Objekte mit hohen Energiekosten finanziert wurden, bei denen das Kreditausfallrisiko deutlich größer ausfällt.
Drei zentrale Mehrwerte können Banken mit einem Prozess für Sustainable KYL (Know Your Mortgage) schaffen:
- Risiken präziser steuern. Banken können ESG-Kriterien in ihre Kreditvergabe einfließen lassen. Zudem steigern sie die Beratungsqualität, indem sie clear machen, welche Geolokalrisiken und Klimarisiken eine Investition in ein Objekt mit sich bringt.
- CO2-Emissionen anhand bestehender Energieträger einer Immobilie kalkulieren. Banken können ihren Kreditnehmern klimaschonende Alternativen anbieten. Die Financial institution spart dadurch Liquiditätspuffer und verringert gleichzeitig die Kreditausfallwahrscheinlichkeit.
- Nachhaltige Investitionen durch Zinsanreize und Upselling-Ansätze fördern. Kunden erhalten bei Kreditobjekten mit negativem ESG-Risiko-Rating einen Anreiz, in klimafreundliche Energienutzung zu investieren. Damit verbessert sich das Gesamtrisiko für die Financial institution und ihre Kunden. Gleichzeitig kann eine Financial institution ihr Portfolio nachhaltiger gestalten.
Die Informationen, die Banken bei der Kreditvergabe in einem Sustainable-KYL-Prozess gewinnen, können sie im gesamten Institutskosmos nutzen. Das Reporting freut sich über die erhobenen Risikodaten für seine Berichterstattung im Einklang mit der EU-Taxonomie und der CSRD, und das Risikomanagement kann die Daten für Szenarioanalysen nutzen und bekommt ein feineres Lagebild über das Kreditrisiko der Financial institution. Sie können das Administration damit bei Portfolioentscheidungen besser beraten. Vertrieb und Produktentwicklung bieten Kunden handfeste Mehrwerte, die über das Ermitteln und Bewerten des finanziellen Established order hinausgehen.
Hier ein Beispiel für eine KYL-Lösung:

Außerdem kann die Financial institution ihr Nachhaltigkeitsprofil schärfen und Reputationsrisiken besser managen. Die ESG-Kundenprofile liefern wertvolle Mosaiksteine, um Abhängigkeits- oder Länderrisiken zu identifizieren und um festzustellen, ob die wirtschaftlichen Aktivitäten gemäß EU-Taxonomie nachhaltig sind. Das Schaffen von Transparenz, wozu Banken verpflichtet sind, entwickelt sich damit aus unserer Sicht zu einem strategischen Hebel, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und die eigene Geschäftsentwicklung zu optimieren.
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* Hafid Amarouch ist Berater, Markus Wernsdörfer ist Senior-Berater und Praveen Mittal ist IT-Berater im Geschäftsbereich Banking bei Sopra Steria; Sopra Steria ist ein „Premium-Associate“ von Finanz-Szene.de. Mehr zum Associate-Modell erfahren Sie hier.