Mi. Jun 5th, 2024


Wenn ein Familienmitglied von einer Behinderung betroffen ist, werden oftmals erhebliche Umbaumaßnahmen in der Wohnung oder am Eigenheim erforderlich, um dem Behinderten trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin ein Leben in seiner gewohnten Umgebung zu ermöglichen und ihm den Umzug in ein Pflegeheim zu ersparen.

Die Bau- oder Umbaukosten für eine behindertengerechte Umgestaltung des Wohnumfeldes können als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar sein. Denn das sind größere Aufwendungen als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Dies gilt sowohl für behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen am bestehenden Gebäude als auch beim Neubau eines Hauses (BFH-Urteil vom 22.10.2009, BStBl 2010 II S. 280; BFH-Urteil vom 24.2.2011, BStBl 2011 II S. 1012).

Aktuell hat das Finanzgericht Nürnberg entschieden, dass Aufwendungen für den altersgerechten Umbau des Einfamilienhauses nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar sind. „Eine mit steigenden Lebensalter eintretende Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist gerade bei älteren Menschen nicht ungewöhnlich, auch wenn es diese besonders schwer trifft.“ (FG Nürnberg, Urteil vom 6.9.2023, 3 Ok 988/21).

Der Fall: Die Eheleute machen Aufwendungen für den altersgerechten Umbau ihres Einfamilienhauses in Höhe von 47.404 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Zur Erläuterung führen sie aus, dass insgesamt Aufwendungen in Höhe von 142.097 EUR entstanden seien. Nach Abzug von 30 Prozent für „gehobenen Normal“ sowie eines KfW-Zuschusses werde ein Betrag von 94.807 EUR, der auf zwei Jahre zu verteilen sei, geltend gemacht. Der Ehemann hat einen Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G. Weiter legen sie eine ärztliche Bescheinigung vor, in der ärztlicherseits bestätigt wird, dass bei Mann und Frau „aus multiplen internistischen und orthopädischen Gründen ein altersgerechter bzw. behindertengerechter Umbau der Wohnung aus medizinischer Sicht dringend anzuraten ist.“

Das Finanzamt lehnt die Anerkennung ab, weil der Nachweis der Zwangsläufigkeit, z.B. Gutachten des Medizinischen Dienstes, nicht vorgelegt wurde. Die Krankheit sei noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt als zwingend notwendig erscheinen.

Das Finanzgericht verweigert ebenfalls die steuerliche Anerkennung der Kosten. Krankheitskosten erwachsen ohne Rücksicht auf die Artwork und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl.

Als außergewöhnliche Belastungen sind ebenfalls Aufwendungen absetzbar, die geleistet werden, um den existenznotwendigen Wohnbedarf zu befriedigen, existenznotwendige Gegenstände wieder zu beschaffen oder gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs auszutauschen bzw. von diesen ausgehende Gesundheitsgefahren zu beseitigen. Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof Aufwendungen für die Anschaffung eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows, für den behinderungsbedingten Umbau einer Motoryacht und für eine behindertengerechte Gartenumgestaltung nicht als zwangsläufigen Mehraufwand für den existenznotwendigen Wohn- bzw. Grundbedarf anerkannt, da diese Aufwendungen in erster Linie Folge eines freien Konsumverhaltens waren.

Nach Auffassung der Finanzrichter waren im Streitfall die Umbaumaßnahmen zwar durchaus sinnvoll, aber noch nicht erforderlich, um den existenznotwendigen Wohnbedarf zu befriedigen. Die Eheleute waren frei in ihrer Entscheidung, einen altersgerechten bzw. behindertengerechten Umbau des Wohnhauses im Streitjahr oder erst später vorzunehmen. Ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Artwork und eine damit ausgelöste Zwangslage hierzu bestand nicht. Das Argument des „vorausschauenden Handelns“ im Hinblick auf eine erwartbare gesundheitliche Entwicklung widerspricht der vom Gesetz geforderten Zwangsläufigkeit.

Von admin