Um Steuertricks mit sogenannten Cum/Cum-Offers zu unterbinden, hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2016 den neuen § 36a EStG geschaffen. Zu dieser Missbrauchsvermeidungsnorm hat das BMF nun ein ausführliches Anwendungsschreiben veröffentlicht.
Im Zuge des Investmentsteuerreformgesetzes vom 19.7.2016 hat der Steuergesetzgeber den neuen § 36a EStG eingeführt, der rückwirkend für alle ab dem 1.1.2016 zufließenden Kapitalerträge gilt und die zentrale Missbrauchsvermeidungsnorm für sog. Cum/Cum-Transaktionen ist.
Was sind Cum/Cum-Transaktionen?
Ausländische Besitzer deutscher Aktien müssen auf ihre Dividenden rund 15 Prozent Kapitalertragsteuer zahlen; um diesem Steuerzugriff zu entgehen, boten sich sogenannte Cum/Cum-Transaktionen an: Dabei überträgt der ausländische Anteilseigner seine Aktien zunächst kurz vor dem Dividendenstichtag auf eine inländische Financial institution, die schließlich die Dividende bezieht. Kurz nach der Ausschüttung erwirbt der Anteilseigner die Aktien einschließlich Dividende zurück. Die Financial institution lässt sich die auf die Dividende abzuführende Kapitalertragsteuer anrechnen und teilt diese Steuerersparnis mit dem ausländischen Anleger.
Was regelt – kurzgefasst – § 36a EStG?
Durch den neuen § 36a EStG ist eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer nur noch möglich, wenn ein Aktienerwerber die Aktie während eines Zeitraumes von 91 Tagen um den Dividendenstichtag mindestens 45 Tage gehalten und dabei ein erhebliches Kursrisiko getragen hat.
Neues Anwendungsschreiben des BMF
Das BMF hat mit Schreiben vom 3.4.2017 nun ein umfassendes Anwendungsschreiben zu § 36a EStG veröffentlicht. Einige Aussagen daraus im Überblick:
Der für die Steueranrechnung erforderliche Mindesthaltezeitraum umfasst 45 Tage vor und 45 Tage nach der Fälligkeit der Kapitalerträge. Die Fälligkeit bestimmt sich bei Aktien nach dem Gewinnverteilungsbeschluss der Hauptversammlung und bei Genussscheinen nach den Emissionsbedingungen. Beschließt eine Hauptversammlung über die Höhe der Gewinnausschüttung ohne einen Beschluss über den Tag der Auszahlung zu treffen, so gilt der Tag nach der Beschlussfassung als Tag der Fälligkeit (sofern sich keine abweichende Fälligkeit aus einer gesetzlichen Regelung oder einer Satzungsregelung ergibt).
Die Steueranrechnung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Anteile oder Genussscheine ununterbrochen an mindestens 45 Tagen innerhalb des Mindesthaltezeitraums gehalten hat. Für den Beginn der tatsächlichen Haltedauer ist der Tag maßgebend, an dem er das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat. Die Haltedauer endet an dem Tag, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum verliert. Das BMF beanstandet es jedoch nicht, wenn für Zwecke der Ermittlung der tatsächlichen Haltedauer bei Geschäften mit bis zu dreitägiger Lieferfrist generell auf den Tag abgestellt wird, an dem das Verpflichtungsgeschäft zum Erwerb und zur Veräußerung der Anteile oder Genussscheine abgeschlossen wird (Handelstag). Bei der Berechnung der Haltedauer dürfen nur diejenigen Tage einbezogen werden, an denen das wirtschaftliche Eigentum während des gesamten Kalendertages bestand.
- Mindestwertänderungsrisiko
Die gesetzlichen Neuregelungen fordern für die Steueranrechnung ferner, dass der Steuerpflichtige während der Mindesthaltedauer ununterbrochen das sogenannte Mindestwertänderungsrisiko trägt. Das heißt: Er muss unter Berücksichtigung von gegenläufigen Ansprüchen und Ansprüchen nahe stehender Personen das Risiko aus einem sinkenden Wert der Anteile oder Genussscheine im Umfang von mindestens 70 Prozent tragen.
Das BMF führt in diesem Zusammenhang aus, wann kein Wertminderungsrisiko besteht, welche Ansprüche als gegenläufige Ansprüche zu berücksichtigen sind (z.B. Optionsscheine oder Futures) und wie sich errechnet, in welcher Höhe der Anleger ein Wertänderungsrisiko getragen hat.
Rechtsfolgen bei Verstoß
Sind die Anrechnungsvoraussetzungen des § 36a Abs. 1 bis 3 EStG nicht erfüllt, ist eine Anrechnung von drei Fünftel der erhobenen Kapitalertragsteuer ausgeschlossen. Bei einem Steuerabzug von 25 Prozent des Kapitalertrags sind damit 15 Prozentpunkte der Kapitalertragsteuer nicht mehr anrechenbar; die übrigen 10 Prozentpunkte dürfen angerechnet werden. Ferner darf der Solidaritätszuschlag, der auf die 25prozentige Kapitalertragsteuer erhoben wird, weiterhin voll angerechnet werden.
Anwendung auf Personengesellschaften
Bei Personengesellschaften wird die anrechenbare Kapitalertragsteuer gesondert und einheitlich vom Finanzamt festgestellt. Erfüllt eine Personengesellschaft die neuen Anrechnungsvoraussetzungen des § 36a Abs. 1 bis 3 EStG nicht (und ist die Ausnahme des § 36a Abs. 5 Nr. 2 EStG nicht gegeben), so beinhaltet die gesonderte und einheitliche Feststellung zunächst einmal nur, dass weder die Anrechnungsvoraussetzungen noch der Ausnahmetatbestand erfüllt sind. Die Kapitalertragsteuer ist daher betragsmäßig in anrechenbare und (nach § 36a EStG) nicht anrechenbare Kapitalertragsteuer aufzuteilen, sodass das Finanzamt eine bindende Entscheidung für die Folgebescheide der Gesellschafter trifft. Auf Ebene der Gesellschafter muss dann im Rahmen der Veranlagung entschieden werden, ob die Anrechnung tatsächlich beschränkt ist.
Beispiel: Die AB-GbR besitzt X-AG Aktien, aus der sie eine Dividende i. H. v. 50.000 EUR erzielt. Die Mindesthaltedauer ist nicht erfüllt. A ist zu 70 Prozent und B zu 30 Prozent an der AB-GbR beteiligt, sodass A 35.000 EUR und B 15.000 EUR Kapitalerträge (im Sinne des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG) erzielt. Auf der Ebene der Personengesellschaft sind die Anrechnungsvoraussetzungen nach § 36a Abs. 1 bis 3 EStG zwar nicht erfüllt, aber B überschreitet – sofern er persönlich keine weiteren Kapitalerträge dieser Artwork erzielt – nicht den Schwellenwert von 20.000 EUR (Ausnahme des § 36a Abs. 5 Nr. 1 EStG), sodass im Rahmen seiner Veranlagung die anteilige Kapitalertragsteuer in voller Höhe angerechnet werden kann.
BMF, Schreiben v. 3.4.2017, IV C 1 – S 2299/16/10002, veröffentlicht am 25.4.2017