Aus der Szene
Die literarischen Ambitionen von Peter Hanker, Vorstandschef der Volksbank Mittelhessen (Bilanzsumme: 10,9 Mrd. Euro), sorgen für Wirbel – im Umfeld des Gießener Instituts, aber mittlerweile auch weit darüber hinaus. Nachdem der Fall zuletzt höchste Kreise des internationalen Literaturbetriebs beschäftigte, hat sich der BVR in die Affäre eingeschaltet, zeigen Recherchen von „Finanz-Szene“.
Doch der Reihe nach.
Peter Hanker – einer der einflussreichsten genossenschaftlichen Bankmanager hierzulande und von seinen Mitarbeitern „Huge Boss“ genannt – hat sich in der Vergangenheit als Autor bzw. Herausgeber verschiedener Fachbücher wie „Kredite für den Mittelstand“ (Fritz Knapp Verlag, 2007) oder „Administration von Marktpreis- und Ausfallrisiken“ (Gabler, 2013) hervorgetan. Jahrelang führte der Bankchef auch eine persönliche Web site mit stark literarischem Anstrich (über das Web-Archiv immer noch auffindbar, siehe hier). Unter www.peter-hanker.de fanden Interessierte Hinweise auf Hankers Bücher (siehe hier) und sonstige Veröffentlichungen (siehe hier), auch ein Eintrag mit dem Titel „Gib dem Leben Leichtigkeit“ (siehe hier) wurde dem Vernehmen nach stark frequentiert.
Die Folge: Zumindest in der digitalen Wahrnehmung begann sich der „Schriftsteller Hanker“ vom „Banker Hanker“ zu entkoppeln. Bei Wikipedia ist vom „Fachbuchautor“ die Rede, und wer Hankers Namen googelt, trifft auf die Berufsbezeichnung „Peter Hanker, Deutscher Autor“. Zumindest in der mobilen Google-Suche findet sich sogar noch ein weiterer Vermerk: „Dr. rer. pol. Peter Hanker. Buchverlag in Gießen, Hessen“, steht da. Den akademischen Titel trägt der Supervisor laut des besagten Wikipedia-Eintrags tatsächlich (Zusatzvermerk: „Cum laude“). Woher hingegen der Verweis auf den Buchverlag stammt, bleibt diffus.
Unter den Aufsichtsräten der Volksbank löst die Zweit-Existenz des Vorstandschefs schon länger Unbehagen aus, berichten Mitglieder des Gremiums gegenüber „Finanz-Szene“. „Wenn der Chef einer Volksbank mit 11 Mrd. Euro Bilanzsumme zugleich als Autor und Verleger firmiert, irritiert das die Kunden“, meint einer der Kontrolleure. Trotzdem ließ der Aufsichtsrat den Supervisor lange Zeit gewähren – bis zu einer Geschichte, die sich laut Recherchen von „Finanz-Szene“ vor ziemlich genau einem Jahr in einer namhaften Frankfurter Buchhandlung zugetragen haben soll.
Die Buchhandlung hatte damals für eine Lesung den österreichischen Nobelpreisträger Peter Handke gewinnen wollen. Ein Schülerpraktikant, den Kollegen als „sehr engagiert, aber nicht allzu literaturinteressiert“ beschreiben, wurde beauftragt, einen Kontakt zu Handkes Verlag aufzunehmen. Der junge Mann („Finanz-Szene“ hat mit ihm und seinen Eltern gesprochen; alle drei bestätigen die Vorgänge, bitten aber um Anonymität) traute sich nicht zuzugeben, dass er den Namen des Schriftstellers noch nie gehört hatte – und tippte bei Google statt „Peter Handke“ fälschlicherweise „Peter Hanker“ ein.
Es kam, wie es kommen musste. Der Schülerpraktikant sah den Zusatz „Deutscher Autor“, wähnte sich am Ziel seiner Suche und nahm über die damals noch aktive Internetseite von Peter Hanker Kontakt zum vermeintlichen Nobelpreisträger auf. Ein paar Wochen später, es battle der 1. April 2023, saß Hanker dann in der besagten Frankfurter Buchhandlung und las vor knapp 200 Peter-Handke-Followers quick zwei Stunden lang aus seinem inzwischen rund 20 Jahre alten Lieblingswerk „Keine Angst vor Basel II“. Ein hochrangiger Supervisor des Bankhauses Metzler, der damals zugegen battle (auch er hatte sich eigentlich auf Peter Handke gefreut), schildert die Szene gegenüber „Finanz-Szene“ so: „Ich selber fand das hochinteressant. Aber wie Sie sich vorstellen können, ging es im Publikum nicht allen so.“
Zu Hankers großem Glück waren an dem Abend keine Journalisten zugegen (der Schülerpraktikant hatte statt „FAZ“ und „FR“ versehentlich „WAZ“ und „BR“ eingeladen), so dass sein Auftritt medial zunächst unbeleuchtet blieb. Einer der enttäuschten Handke-Followers meldete die Sache allerdings dem Suhrkamp-Verlag – und auch wenn „Finanz-Szene“ den weiteren Gang der Dinge nicht exakt rekonstruieren konnte, so wurde jedenfalls sogar die „Schwedische Akademie“ informiert, dass in Deutschland ein Schriftsteller namens Peter Hanker als vermeintlicher „Nobelpreisträger Peter Handke“ durch die Buchhandlungen ziehe. Dem Vernehmen nach battle es die deutsche Botschaft in Stockholm, die die Sache letztlich aufklären konnte. Die Bundesregierung schaltete trotzdem den BVR ein, dessen Präsidentin Marija Kolak daraufhin das persönliche Gespräch mit Hanker suchte – und diesem „ordentlich die Leviten gelesen“ haben soll, wie es aus dem Verbandsumfeld heißt.
Tatsächlich sieht es so aus, als hätte der Bankmanager nach dem Einlauf durch Kolak immerhin schon mal seine persönliche Web site abgeschaltet. Wer in die URL-Leiste www.peter-hanker.de eingibt, der wird neuerdings zur Startseite der Volksbank Mittelhessen weitergeleitet. „Im Aufsichtsrat wird dies als klares Sign wahrgenommen, dass sich der Vorstandschef wieder stärker auf die Belange der Financial institution fokussieren will“, erklärte eines der Mitglieder des Gremiums dieser Tage gegenüber Finanz-Szene.