Einkommensteuer – Financial Of Tips https://financialoftips.com Financial Of Tips Wed, 01 Mar 2023 13:29:17 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.5 230741881 Kapitalertragsteuer auf (Schein-)Rendite | Steuern https://financialoftips.com/kapitalertragsteuer-auf-schein-rendite-steuern/ https://financialoftips.com/kapitalertragsteuer-auf-schein-rendite-steuern/#respond Wed, 01 Mar 2023 13:29:17 +0000 https://financialoftips.com/2023/03/01/kapitalertragsteuer-auf-schein-rendite-steuern/

Für Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, ist die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten. Es stellt sich die Frage, ob Kapitalerträge nur dann der Kapitalertragsteuer unterliegen, wenn die Steuer angemeldet und abgeführt worden ist. 

Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge bereit und fähig gewesen wäre (vgl. BFH, Urteil v. 16.03.2010, VIII R 4/07, Haufe Index 2350166). 

Reicht Ausweis von Abgeltungsteuer für Abgeltungswirkung aus?

Dies conflict im Rahmen eineses Klageverfahrens beim FG Nürnberg auch unstreitig. Zu dem Verfahren kam es, weil beim Finanzamt eine Kontrollmitteilung der Steuerfahndungsstelle einging, wonach der Kläger Scheinrenditen aus Aktienverkäufen erzielte, die aber tatsächlich nie stattgefunden hatten. Die Firma C (Finanzdienstleistungsinstitut, geführt von B) hat ein Schneeballsystem unterhalten, welches in 2013 aufgeflogen ist. 

B hat bis dahin zahlreiche Auszahlungen vorgenommen und seinen Kunden anhand von Aufstellungen Käufe, Verkäufe und Bestand ihres Depots dargestellt. Im Rahmen des Verkaufs hat B den Verkaufsbetrag und – nach Abzug verschiedener Kosten (u. a. Abgeltungsteuer) – das Ergebnis ausgewiesen (und auch ausgezahlt). Die Aufstellungen sind von B als Schuldner und vom Kläger als Gläubiger unterzeichnet worden. Die ausgewiesene Kapitalertragsteuer ist aber weder angemeldet noch abgeführt worden. Nach Auffassung des Finanzamts haben die Kapitalerträge damit keinem Steuerabzug unterlegen, sodass keine Abgeltungswirkung eintritt und daher die Erträge der Besteuerung zu unterwerfen sind. 

EStG nach Auffassung des FG Nürnberg aber eindeutig

Das FG Nürnberg teilt die Auffassung des Finanzamts nicht (Urteil v. 11.10.2017, 3 Ok 348/17). Für Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, ist die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG). Für die Auffassung des Finanzamts, Kapitalerträge hätten der Kapitalertragsteuer nur unterlegen, wenn die Steuer angemeldet und abgeführt worden sei, gibt es nach Ansicht des FG weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte. 

Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers

Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nicht ein, wenn der Gläubiger nach § 44 Abs. 1 Satz 8 und 9 und Abs. 5 in Anspruch genommen werden kann (2. Hs. von § 43 Abs. 5 Satz 1). Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG wird der Gläubiger der Kapitalerträge u. a. nur in Anspruch genommen, wenn der Gläubiger weiß, dass der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt. Im Streitfall conflict B die die Kapitalerträge auszahlende Stelle. Er hatte deshalb im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge beim Gläubiger den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers vorzunehmen, was er auch getan hat. Aus den vorliegenden Abrechnungen ergibt sich, dass er bei Ermittlung des auszuzahlenden bzw. zur Wiederanlage zur Verfügung stehenden Betrages die auf die scheinbar erzielten Kapitalerträge entfallende Abgeltungsteuer inkl. Soli in Abzug gebracht hat. Soweit Beträge ausgezahlt wurden, geschah dies nach Abzug der Abgeltungsteuer.

Steuerabzug mit abgeltender Wirkung

Dass B tatsächlich weder Aktien gekauft, noch verkauft und deshalb tatsächlich auch keine Erträge erzielt hat, von denen er die Steuer hätte einbehalten können, spielt nach Meinung des FG keine Rolle. Wenn Scheinrenditen steuerbar sind, müssen auch von einem scheinbaren Ertrag einbehaltene Steuerabzugsbeträge berücksichtigt werden. Der Kläger habe nicht gewusst, dass B die einbehaltende Kapitalertragsteuer entgegen seiner Verpflichtung nicht angemeldet und entgegen seiner Verpflichtung auch nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Er könne deshalb nicht in Anspruch genommen werden. Würde man mit dem Finanzamt – entgegen dem Gesetzeswortlaut – für die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG auf die Abführung der Kapitalertragsteuer abstellen, so würde der Ausschluss nach § 43 Abs. 5 Saz 1 Hs. 2 i. V. m. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG leerlaufen, der den Ausschluss unter die Voraussetzung der Kenntnis des Schuldners von der nicht vorschriftsmäßigen Abführung stellt. Damit hat der Steuerabzug abgeltende Wirkung. Die Einkünfte werden nicht Teil des Veranlagungsverfahrens.

Revisionsverfahren anhängig

Das FG Nürnberg hat die Revision zugelassen, weil noch keine Rechtsprechung des BFH zu diesem Drawback vorliegt und bei der Finanzverwaltung zahlreiche Parallelverfahren geführt werden. Die Revision wurde erwartungsgemäß auch eingelegt (Az. VIII R 17/17). Vergleichbare Fälle sollten daher offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat. 

]]>
https://financialoftips.com/kapitalertragsteuer-auf-schein-rendite-steuern/feed/ 0 654
Erstattungsüberhang durch Kirchen-Abgeltungsteuer | Steuern https://financialoftips.com/erstattungsueberhang-durch-kirchen-abgeltungsteuer-steuern/ https://financialoftips.com/erstattungsueberhang-durch-kirchen-abgeltungsteuer-steuern/#respond Sun, 26 Feb 2023 06:32:08 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/26/erstattungsueberhang-durch-kirchen-abgeltungsteuer-steuern/

Gezahlte Kirchensteuer ist nicht als Sonderausgabe abzugsfähig, soweit sie als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt wurde. 

Die in § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG geregelten Einschränkungen zum Sonderausgabenabzug gezahlter Kirchensteuer dienen der Vermeidung einer Doppelbegünstigung nach Einführung des besonderen Steuertarifs gemäß § 32d EStG (Abgeltungsteuer), weil sich die Kapitalertragsteuer gemäß § 32d Abs. 1 Satz 3 EStG um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer ermäßigt. Damit wird die erhobene Kirchensteuer bereits bei der Ermittlung der Höhe der Abgeltungssteuer berücksichtigt und kann nicht – ein zweites Mal – im Wege des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden.

Unter anderem aufgrund des fiktiven Sonderausgabenabzugs wurde von einem Finanzamt im Rahmen eines Klageverfahrens beim FG Niedersachsen die Auffassung vertreten, dass Erstattungsüberhänge aus nicht veranlagter der Kirchensteuer zum Kapitalertrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG steuererhöhend zu erfassen sind.

Beispiel: Zu niedrig vergebener Freistellungsauftrag

Aufgrund eines zu niedrig vergebenen Freistellungsauftrags beantragte A für seine Kapitalerträge 2017 die Überprüfung des Steuereinbehalts. Im Rahmen seines Einkommensteuerbescheids 2017 ergab sich folgende Kirchensteuer-Abrechnung:

Kirchensteuer ohne Kapitalerträge 600 EUR + Kirchensteuer auf Kapitalerträge 100 EUR 700 EUR        
./. Lohnkirchensteuer 700 EUR + Kirchensteuer auf Kapitalerträge 200 EUR 900 EUR
= Gesamterstattung                                           200 EUR

Die Abgeltungsteuer wurde mit 24,45 % (siehe oben Ermäßigung wegen fiktivem Sonderausgabenabzug, bei 9 % KiSt) berechnet. Die Erstattung der 200 EUR erfolgte in 2018. In 2018 wurde keine Kirchensteuer gezahlt die als Sonderausgabe abzugsfähig ist. 

Es stellt sich nun für 2019 die Frage, ob 100 EUR (ohne Kirchensteuer auf Kapitalerträge) oder 200 EUR als Erstattungsüberhang nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu erfassen sind. 

Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG

Bei jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie z. B. Kirchensteuern, mindern im Jahr der Zahlung erfolgte Erstattungen den steuerlich berücksichtigungsfähigen Betrag. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG bestimmt, dass die bei den Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhänge dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sind. Begründet wird dies damit, dass die Aufwendungen zuvor in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar waren. Die Erstattung von Kirchensteuer führt nach der gesetzlichen Regelung zu einem Erstattungsüberhang, wenn keine Verrechnungsmöglichkeit mit in demselben Veranlagungszeitraum gezahlter Kirchensteuer zur Verfügung steht. Inwieweit sich die als Erstattungsüberhang anzusetzende Kirchensteuererstattung in den Veranlagungszeiträumen der jeweiligen Zahlung steuermindernd ausgewirkt hat, ist unerheblich.

FG Niedersachsen teilt nicht die Auffassung des Finanzamts

Das FG Niedersachsen ist entgegen dem Finanzamt der Auffassung (Urteil v. 21.11.2018, 2 Okay 25/17), dass nicht veranlagte Kirchensteuer zum Kapitalertrag nicht nach § 10 Abs. 4b EStG zu erfassen ist (hier sind additionally nur 100 EUR zu erfassen). Das Gesetz unterscheide in § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Während die als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer gezahlte Kirchensteuer unbeschränkt als Sonderausgaben abziehbar ist, scheidet ein Sonderausgabenabzug für als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer von vornherein aus.

Zwar sei dem Finanzamt darin zuzustimmen, dass sich auch durch die Berücksichtigung der als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlten Kirchensteuer im Rahmen einer Ermäßigung der Kapitalertragsteuer eine einem unbeschränkten Sonderausgabenabzug vergleichbare Steuerminderung ergibt. Dies rechtfertige aber nicht den Ansatz einer Erstattung einer solchen Kirchensteuer als Erstattungsüberhang nach § 10 Abs. 4b EStG, weil die gesetzgeberische Entscheidung, durch die Einführung der Abgeltungsteuer die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer eigenständigen Besteuerung zu unterwerfen, nach dem Grundsatz der Folgerichtigkeit auch bei der Anwendung dieser Vorschrift zu beachten sei.

Das FG legt somit die in § 10 Abs. 4b EStG getroffene Regelung zum Erstattungsüberhang als gesetzgeberisches korrespondierendes Gegenstück zur Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus. Wenn additionally die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist, ist auch die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer erstattete Kirchensteuer vom Ansatz eines Erstattungsüberhangs auszunehmen. Der Entscheidung des FG ist m. E. uneingeschränkt zuzustimmen.

]]>
https://financialoftips.com/erstattungsueberhang-durch-kirchen-abgeltungsteuer-steuern/feed/ 0 453
Scheinrenditen aus einem Schneeballsystem | Steuern https://financialoftips.com/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/ https://financialoftips.com/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/#respond Thu, 23 Feb 2023 17:02:27 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/23/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/

Die Abgeltungswirkung einbehaltener und nicht abgeführter KapSt tritt auch bei Scheinrenditen im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems ein. Die Bemessungsgrundlage der aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (KapSt und SolZ).

Hintergrund: Von Scheinrenditen einbehaltene und nicht abgeführte KapSt

Der Anleger (A) hatte in 2011 bis 2013 von der Betrugsfirma des C Scheinrenditen aus Dividenden und Aktienverkäufen erzielt, die er nicht erklärt hatte.

C hatte ein Schneeballsystem mit fingierten Aktiengeschäften betrieben, das in 2013 aufflog. Er bescheinigte dem A erhebliche Gewinne aus Aktienverkäufen. Die Scheingewinne zahlte er teils (auf ein Konto der Tochter des A) aus, teils wurden sie (scheinbar) “wieder angelegt”. Auf den Abrechnungen wies C rechnerisch zutreffend den Einbehalt der KapSt (einschließlich SolZ) aus. Die KapSt wurde jedoch von C weder beim FA angemeldet noch an das FA abgeführt, was dem A nicht bekannt battle.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung erließ das FA geänderte Bescheide, in denen es die Gewinne aus Aktienverkäufen und Dividendenerträge der Besteuerung unterwarf. Da die KapSt nur “auf dem Papier” einbehalten, aber nicht angemeldet und abgeführt wurde, hätten die Gewinne nicht der KapSt unterlegen i.S.v. § 32d Abs. 3 EStG. Die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs nach § 43 Abs. 5 EStG sei daher nicht eingetreten. Die von C einbehaltene KapSt wurde nicht angerechnet.

Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. Die als einbehalten ausgewiesene KapSt entfalte auch dann Abgeltungswirkung, wenn sie nicht abgeführt werde. Anschließend erließ das FA geänderte Bescheide, mit denen es die Bemessungsgrundlage für die von A erzielten Schein-Kapitaleinkünfte um die von C einbehaltene KapSt minderte.

Entscheidung: Abgeltungswirkung auch bei nicht angemeldeter/abgeführter KapSt

Die Scheinrenditen sind A in voller Höhe (ohne Abzug der KapSt) als Kapitaleinkünfte zugeflossen. Entgegen der Auffassung des FA sind sie jedoch nicht in die Steuerfestsetzung einzubeziehen, da die ESt durch die Einbehaltung der KapSt abgegolten wurde.

Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen

Die Kapitaleinkünfte aus den von C vorgetäuschten Gewinnen aus Aktienverkäufen sind dem A zum einen dadurch zugeflossen, dass sie auf seine Anweisung an seine Tochter überwiesen wurden (Leistung an einen Dritten, BFH v. 23.4.1996, VIII R 30/93, BFH/NV 1996, 364). Zum anderen hat A in Höhe der von C bescheinigten und durch fiktive Aktienkäufe “wieder angelegten” Scheinrenditen Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Denn A konnte über die Beträge verfügen, da C in den Streitjahren leistungsbereit und leistungsfähig battle. Der BFH verweist insoweit auf seine Rechtsprechung zum Zufluss von Scheinrenditen in Schneeballsystemen (BFH v. 2.4.2014, VIII R 38/13, BStBl II 2014, 698).

Zufluss auch der einbehaltenen KapSt-Beträge

Die Bemessungsgrundlage der von A aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die von C einbehaltene KapSt. Der Einbehalt der KapSt erfolgte durch C als auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) mit abgeltender Wirkung für Rechnung des A als Gläubiger der Kapitalerträge. Dem A sind demnach auch die von C für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge (zzgl. SolZ) zugeflossen (BFH v. 23.4.1996, VIII R 30/93, BFH/NV 1996, 364).

Abgeltungswirkung der einbehaltenen KapSt

Die Scheinrenditen sind jedoch nach § 2 Abs. 5b EStG nicht der ESt-Festsetzung zugrunde zu legen, da sie aufgrund des Einbehalts durch C der KapSt unterlegen haben mit der Folge, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten ist. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass die Abgeltungswirkung erst dann eintritt, wenn die einbehaltene KapSt beim FA angemeldet und abgeführt wird. Dieses Normverständnis wird auch durch die in den gesetzlichen Ausschlussregelungen zur Abgeltungswirkung vorgesehene Risikoverteilung bestätigt. Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG tritt die Abgeltungswirkung nicht ein, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Sätze 10 und 11 (früher: 8 und 9) und Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden kann. Könnte der Gläubiger gleichwohl in Anspruch genommen werden, würde die Ausnahme des § 43 Abs. 5 i.V.m. § 44 Abs. 5 EStG leerlaufen. Das FA bedient sich bei der Abgeltungsteuer – wie bei der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG – mit dem Schuldner der Kapitalerträge (bzw. der auszahlenden Stelle) eines privaten Einbehaltungspflichtigen, der dem Steuerpflichtigen (Anleger) als verlängerter Arm der Finanzverwaltung gegenübersteht, so dass dieser die Abführung der einbehaltenen KapSt nicht beeinflussen kann. Die sachgerechte Risikoverteilung gebietet demnach, dass der Fiskus den Ausfall der KapSt zu tragen hat, wenn der Abzug ordnungsgemäß erfolgt ist, die KapSt jedoch nicht an das FA abgeführt wird.

Subjektive Sicht des Anlegers

Das FA geht davon aus, die subjektive Sicht des Anlegers sei nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen entscheidend. Der BFH vertritt dagegen die Auffassung, auch bei der Abgeltungswirkung sei auf die Sicht des Anlegers abzustellen. Wenn es bei Scheinrenditen für den Zufluss entscheidend ist, dass der Anleger davon ausgehen durfte, er hätte statt des “Stehenlassens” des gutgeschriebenen Betrags die Auszahlung verlangen können, muss es auch für die Abgeltungswirkung auf die subjektive Sicht ankommen. Konnte der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass die Scheinrenditen, die ihm nach der Rechtsprechung des BFH zugeflossen sind, dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die ESt daher abgegolten.

Hinweis: Grundsatz der Folgerichtigkeit

Die Gleichheit verlangt bei der ESt eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete, folgerichtige Ausgestaltung der Belastung (BVerfG-Urteil v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210). Wenn Scheinrenditen steuerbar sind, müssen auch von einem scheinbaren Ertrag scheinbar einbehaltene Steuerabzugsbeträge berücksichtigt werden. In zwei weiteren Urteilen gleichen Datums hat der BFH im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden (BFH v. 27.10.2020, VIII R 42/18 und VIII R 3/20). Die Entscheidung hat wegen zahlreicher anhängiger Parallelfälle weitreichende Bedeutung.


BFH, Urteil v. 29.9.2020, VIII R 17/17; veröffentlicht am 14.5.2021

Alle am 14.5.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH

]]>
https://financialoftips.com/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/feed/ 0 238
Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen “Spin-Off” | Steuern https://financialoftips.com/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/ https://financialoftips.com/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/#respond Wed, 22 Feb 2023 10:26:42 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/22/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/

Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

Hintergrund: Aufspaltung eines US-amerikanischen Unternehmens durch einen “Spin-Off”

Die Eheleute hielten in 2012 (Streitjahr) Aktien der KFI (US-amerikanische Kapitalgesellschaft). In 2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte auf die neu gegründete KFG (ebenfalls US-amerikanische Kapitalgesellschaft) und erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in M-Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Eheleute wurden dementsprechend Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank ging (unter Berücksichtigung des Börsenkurses der KFG-Aktien) von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt KapSt (zuzüglich SolZ) ein.

Die Eheleute waren der Auffassung, die Zuteilung der KFG-Aktien sei als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln. Das FA bejahte dagegen einen steuerpflichtigen Kapitalertrag, dem es den Abgeltungsteuersatz zugrunde legte. Das FG wies die Klage ab. Die Übertragung neuer Aktien im Rahmen der Aufspaltung eines Unternehmens stelle grundsätzlich eine Sachausschüttung dar, die beim Anteilseigner zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe.

Entscheidung: Drittstaatenabspaltung als steuerneutraler Anteilstausch

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Da die KFG-Aktien im Rahmen einer Drittstaatenabspaltung zugeteilt wurden, die ihrerseits einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar ist, löst der Vorgang im Streitjahr 2012 keine Besteuerung aus.

Zuteilung der KFG-Aktien als Kapitalertrag

Die Zuteilung der KFG-Aktien von der M an die Eheleute führt bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, der mit der Einbuchung der Aktien auf dem Depot in Type einer Sachausschüttung zugeflossen ist. Für diesen steuerbaren Kapitalertrag der in den USA ansässigen M (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin KFI) steht Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. Die Eheleute waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig.

Keine (nicht steuerbare) Einlagenrückgewähr

Diese Sachausschüttung ist (mangels einer Einlagenrückgewähr seitens der M) nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Ausschüttung wurde nicht durch die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG finanziert. Des Weiteren handelt es sich bei dem Bilanzposten “retained earnings” nach den Feststellungen des FG um die in den früheren Jahren angesammelten Jahresüberschüsse und somit um den ausschüttbaren Gewinn i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG.

Keine Ausnahme von der Besteuerung nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG

Nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 EUR angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und (wie nach Satz 5 a.F. gefordert) die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags, die auch bei Auslandssachverhalten nicht unwiderleglich vermutet wird (BFH v. 4.5.2021, VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579, und VIII R 14/20, BFH/NV 2021, 1675), ist wegen des Börsenkurses der zugeteilten KFG-Aktien ohne weiteres möglich.

Auch keine Ausnahme nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG

Die Zuteilung der KFG-Aktien ist auch nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 und 2 EStG (steuerneutraler Anteilstausch) von der Besteuerung auszunehmen. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 7 (Abspaltung) erfüllt. Die Regelung ist jedoch im Streitjahr (2012) zeitlich noch nicht anwendbar. Satz 7 ist erstmals auf Abspaltungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das öffentliche Register nach dem 31.12.2012 erfolgt. Der streitige “Spin-Off” struggle jedoch bereits im Oktober 2012 vollzogen worden.

Drittstaatenabspaltungen in 2012 fallen jedoch noch unter § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG (steuerneutraler Anteilstausch)

Es ist umstritten, ob Abspaltungen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fallen. Uneinigkeit besteht darüber, ob bei einer Abspaltung auf Gesellschafterebene ein “Tausch” vorliegt. Der BFH konnte im Streitfall die Frage offen lassen. Jedenfalls gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit (Artwork. 63 AEUV), dass der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Anderenfalls käme es im Streitjahr zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung inländischer Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften gegenüber solchen von inländischen und ausländischen Gesellschaften der EU bzw. des EWR. Ein solcher Verstoß wäre nicht durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, gerechtfertigt. Zur Vermeidung eines unionsrechtswidrigen Zustands ist daher § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG dahingehend auszulegen, dass die Norm bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 (und somit im Streitjahr 2012) auch Drittstaatenabspaltungen erfasst.

Hinweis: Spätere Veräußerungsgewinne sind zu versteuern

Rechtsfolge des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ist, dass der “Spin-Off” und die damit verbundene Zuteilung der KFG-Aktien an die Eheleute im Streitjahr bei diesen keine Besteuerung auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der KFG-Aktien oder der M-Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Dabei ist zu beachten, dass die KFG-Aktien auf Grund der Abspaltung steuerlich (anteilig) an die Stelle der bereits gehaltenen KFI- bzw. M-Aktien treten und deren Anschaffungskosten (anteilig) übernehmen.


BFH, Urteil v. 19.10.2021, VIII R 7/20, veröffentlicht am 23.12.2021

Alle am 23.12.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

]]>
https://financialoftips.com/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/feed/ 0 68