Einkünfte aus Kapitalvermögen – Financial Of Tips https://financialoftips.com Financial Of Tips Tue, 28 Feb 2023 15:21:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.4 230741881 BFH Kommentierung: Bildung von Rücklagen bei Regiebetrieben | Steuern https://financialoftips.com/bfh-kommentierung-bildung-von-ruecklagen-bei-regiebetrieben-steuern/ https://financialoftips.com/bfh-kommentierung-bildung-von-ruecklagen-bei-regiebetrieben-steuern/#respond Tue, 28 Feb 2023 15:21:01 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/28/bfh-kommentierung-bildung-von-ruecklagen-bei-regiebetrieben-steuern/

Für die Bildung von Rücklagen bei einem kommunalen Regiebetrieb genügt das “Stehenlassen” der handelsrechtlichen Gewinne, sofern die Mittel nachvollziehbar dem Regiebetrieb weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen (Abweichung von dem BMF-Schreiben v. 9.1.2015, BStBl I 2015, 111 Rz. 35).

Hintergrund: Verpachtung der städtischen Schwimmbäder als Regiebetrieb

Die Stadt unterhielt in den Streitjahren (2005, 2006) den als Regiebetrieb geführten Betrieb gewerblicher Artwork “Schwimmbäder” (BgA). Gegenstand des BgA struggle die Verpachtung der städtischen Schwimmbäder an die S-GmbH, eine 100 %-ige städtische Tochtergesellschaft. Die Beteiligung an der S-GmbH gehörte zum Betriebsvermögen des BgA. Die Jahresüberschüsse des BgA wurden im jeweiligen Folgejahr als Gewinnvortrag ausgewiesen. Die Gewinne stammten im Wesentlichen aus Dividendeneinnahmen, die zwar auf das städtische Bankkonto flossen, aber vom BgA in einem Verrechnungskonto erfasst wurden. Damit sollten Mittel zur Modernisierung der Bäder angesammelt werden. Im Haushaltsplan der A wurde lediglich eine “Allgemeine Rücklage” gebildet.

Das FA anerkannte die Gewinnvorträge nicht als Rücklage an und forderte von der Stadt als Entrichtungsschuldnerin KapSt und SolZ nach. Das FG wies die dagegen erhobene Klage der Stadt mit der Begründung ab, die Stadt habe durch die gebildete allgemeine Rücklage in ihrem Haushalt nicht hinreichend für die Mittelreservierung gesorgt.

Entscheidung: Die Bildung einer Rücklage erfordert bei einem Regiebetrieb keine besonderen Voraussetzungen

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört u.a. der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Eigenbetriebe, Regiebetriebe). Die spätere Auflösung der Rücklagen führt sodann zu einem entsprechenden Gewinn (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG). Darin liegt eine Ausschüttungsfiktion. Denn wegen der fehlenden rechtlichen Selbständigkeit des BgA sind keine tatsächlichen Ausschüttungen möglich. Damit wird im Ergebnis für die Betätigung einer juristischen Individual des öffentlichen Rechts in Type eines rechtlich unselbständigen BgA eine ähnliche Gesamtsteuerbelastung wie bei Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern herbeigeführt. Dementsprechend ist die Bildung einer Rücklage nicht nur bei einem Eigenbetrieb (organisatorisch verselbständigte Einrichtung), sondern auch bei einem als Regiebetrieb geführten BgA möglich, bei dem – anders als bei einem Eigenbetrieb – die Trägerkörperschaft unmittelbar über die Gewinne verfügen kann. Hinsichtlich der Rücklagenbildung sind daher für einen Regiebetrieb keine zusätzlichen Voraussetzungen zu fordern.

Stehenlassen der Gewinne genügt

Eine haushaltsrechtliche Mittelreservierung ist – entgegen der Auffassung des FG – nicht erforderlich. Für die steuerliche Anerkennung reicht vielmehr jedes “Stehenlassen” der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Liquiditätsabflüssen an die Trägerkörperschaft, sind die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen entsprechend anwendbar. Der BFH hob daher das FG-Urteil und die Nachforderungsbescheide auf und setzte die KapSt auf 0 EUR fest.

Hinweis: Abweichung von dem BMF-Schreiben in BStBl I 2015, 111

Der BFH weicht damit von dem BMF-Schreiben v. 9.1.2015, BStBl I 2015, 111, ab. Nach dem BMF-Schreiben (Rn. 35) ist die Rücklagenbildung bei Regiebetrieben von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit des BgA zu erhalten, genügt nicht. Vielmehr müssen die Mittel für konkrete Vorhaben angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen oder wenn die Durchführung des Vorhabens glaubhaft und finanziell in angemessenem Zeitraum möglich ist.  

Ergänzende Urteile v. 30.1.2018

Die Entscheidung wird durch zwei weitere Urteile v. 30.1.2018 ergänzt. Nach dem Urteil VIII R 75/13 bleiben bei dem Regiebetrieb einer kommunalen Gebietskörperschaft die Gewinne des Jahres 2001 auch dann steuerfrei, wenn sie zunächst in die Rücklagen eingestellt und in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder aufgelöst werden. Diese nur für die Gewinne des Jahres 2001 geltende Steuerfreiheit folgt aus der zeitlichen Anwendungsregelung bei Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchs. b EStG. Ferner entschied der BFH im Urteil VIII R 15/16, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden.

BFH, Urteil v. 30.1.2018, VIII R 42/15, veröffentlicht am 23.5.2018.

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Beschränkte Steuerpflicht bei Zinseinnahmen aus Wandelanleihen | Steuern https://financialoftips.com/beschraenkte-steuerpflicht-bei-zinseinnahmen-aus-wandelanleihen-steuern/ https://financialoftips.com/beschraenkte-steuerpflicht-bei-zinseinnahmen-aus-wandelanleihen-steuern/#respond Tue, 28 Feb 2023 06:38:44 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/28/beschraenkte-steuerpflicht-bei-zinseinnahmen-aus-wandelanleihen-steuern/

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Zur Anfechtung der Kapitalertragsteuer- Anmeldung | Steuern https://financialoftips.com/zur-anfechtung-der-kapitalertragsteuer-anmeldung-steuern/ https://financialoftips.com/zur-anfechtung-der-kapitalertragsteuer-anmeldung-steuern/#respond Mon, 27 Feb 2023 00:04:55 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/27/zur-anfechtung-der-kapitalertragsteuer-anmeldung-steuern/

Die Drittanfechtungsklage gegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sich durch den Antrag auf Einbeziehung der Kapitalerträge in die Einkommensteuerfestsetzung die Kapitalertragsteuer-Anmeldung vor Klageerhebung erledigt hat.

Hintergrund: Einbehalt von Kapitalertragsteuer wegen “Entflechtung (Spin-off)” von Aktien

Der Kläger (Ok) warfare Inhaber von Aktien eines amerikanischen Unternehmens. Aufgrund einer “Entflechtung (Spin-off)” dieser Aktien behielt das Kreditinstitut B Kapitalertragsteuer ein und meldete diese beim FA an.

Einspruch und Klage gegen Steueranmeldung erfolglos

Ok wandte sich gegen diese Steueranmeldung und machte beim FA geltend, dass die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer rechtswidrig sei, weil der “Spin-off” der Aktien nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führe. Das FA sah den Einspruch des Ok als unzulässig an, weil das für die Einkommensteuerveranlagung des Ok zuständige FA C bereits aufgrund eines Antrags des Ok auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG einen Einkommensteuerbescheid erlassen hatte, in den die Kapitalerträge einbezogen waren. Das FG wies die Klage ab (EFG 2016 S. 93).

Entscheidung: Rechtsschutzbedürfnis für Drittanfechtungsklage warfare entfallen

Der BFH bestätigte die Auffassung des FA und wies die Revision des Ok gegen das finanzgerichtliche Urteil mit der Begründung ab, dass die Klage (Drittanfechtungsklage) gegen die Steueranmeldung mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig warfare.

Ok warfare zwar grundsätzlich befugt, die Kapitalertragsteuer-Anmeldung anzufechten, weil durch diese auch seine rechtlich geschützten Interessen als Gläubiger der Kapitalerträge berührt waren. Da sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung jedoch bereits vor der Erhebung der Klage durch den Erlass des Einkommensteuerbescheids durch das FA C erledigt hatte, warfare insoweit das Rechtsschutzinteresse des Ok entfallen.

Aufgrund des Antrags des Ok nach § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG i.V.m. § 32d Abs. 4 EStG auf Überprüfung des Steuereinbehalts durch das FA C sind die von dem amerikanischen Unternehmen angemeldeten Kapitalerträge in die Steuerfestsetzung einbezogen und die abgeführte Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die hierfür festgesetzte Steuer angerechnet worden. Der Einkommensteuerbescheid hat damit die Kapitalertragsteuer- Anmeldung als Rechtsgrundlage für die einbehaltene Kapitalertragsteuer abgelöst, womit sich die Kapitalertragsteuer- Anmeldung nach § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise erledigt hatte.

Hinweis: Kläger hat falsches Verfahren gewählt

Unabhängig von der Unzulässigkeit seiner Klage hätte die von Ok aufgeworfene Frage, ob der sog. Spin-off der Aktien zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führt oder nicht, im Verfahren gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht endgültig geklärt werden können. Denn die Überprüfung der Steueranmeldung beschränkt sich in diesem Verfahren darauf, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Das ist aber bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steuereinbehalt zweifelhaft und nicht eindeutig rechtswidrig waren (vgl. BFH, Urteil v. 12.12.2012, I R 27/12, BStBl II 2013 S. 682, Rz 10). Abgesehen davon wäre eine Entscheidung in diesem Verfahren nicht bindend für die Einkommenbesteuerung, da mangels gesetzlicher Regelung ein Grundlage-/ Folgebescheid-Verhältnis zwischen der Kapitalertragsteuer-Anmeldung und der Einkommensteuerfestsetzung nicht besteht.

Klärung der Rechtsfrage im Verfahren gegen den Einkommensteuerbescheid

Die Frage, ob der Spin-off der Aktien zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften geführt hat, kann in einem Verfahren gegen den Einkommensteuerbescheid eigenständig beurteilt werden. Da Ok im vorliegenden Fall gegen den Einkommensteuerbescheid, dem die Kapitalerträge aufgrund seines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG zugrunde gelegt worden sind, Einspruch eingelegt hat, über den bislang noch nicht entschieden ist, kann er hier sein Klageziel weiter verfolgen.

BFH Urteil vom 20.11.2018 – VIII R 45/15 (veröffentlicht am 10.04.2019)

Alle am 10.04.2019 veröffentlichten Entscheidungen

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Scheinrenditen aus einem Schneeballsystem | Steuern https://financialoftips.com/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/ https://financialoftips.com/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/#respond Thu, 23 Feb 2023 17:02:27 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/23/scheinrenditen-aus-einem-schneeballsystem-steuern/

Die Abgeltungswirkung einbehaltener und nicht abgeführter KapSt tritt auch bei Scheinrenditen im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems ein. Die Bemessungsgrundlage der aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (KapSt und SolZ).

Hintergrund: Von Scheinrenditen einbehaltene und nicht abgeführte KapSt

Der Anleger (A) hatte in 2011 bis 2013 von der Betrugsfirma des C Scheinrenditen aus Dividenden und Aktienverkäufen erzielt, die er nicht erklärt hatte.

C hatte ein Schneeballsystem mit fingierten Aktiengeschäften betrieben, das in 2013 aufflog. Er bescheinigte dem A erhebliche Gewinne aus Aktienverkäufen. Die Scheingewinne zahlte er teils (auf ein Konto der Tochter des A) aus, teils wurden sie (scheinbar) “wieder angelegt”. Auf den Abrechnungen wies C rechnerisch zutreffend den Einbehalt der KapSt (einschließlich SolZ) aus. Die KapSt wurde jedoch von C weder beim FA angemeldet noch an das FA abgeführt, was dem A nicht bekannt battle.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung erließ das FA geänderte Bescheide, in denen es die Gewinne aus Aktienverkäufen und Dividendenerträge der Besteuerung unterwarf. Da die KapSt nur “auf dem Papier” einbehalten, aber nicht angemeldet und abgeführt wurde, hätten die Gewinne nicht der KapSt unterlegen i.S.v. § 32d Abs. 3 EStG. Die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs nach § 43 Abs. 5 EStG sei daher nicht eingetreten. Die von C einbehaltene KapSt wurde nicht angerechnet.

Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. Die als einbehalten ausgewiesene KapSt entfalte auch dann Abgeltungswirkung, wenn sie nicht abgeführt werde. Anschließend erließ das FA geänderte Bescheide, mit denen es die Bemessungsgrundlage für die von A erzielten Schein-Kapitaleinkünfte um die von C einbehaltene KapSt minderte.

Entscheidung: Abgeltungswirkung auch bei nicht angemeldeter/abgeführter KapSt

Die Scheinrenditen sind A in voller Höhe (ohne Abzug der KapSt) als Kapitaleinkünfte zugeflossen. Entgegen der Auffassung des FA sind sie jedoch nicht in die Steuerfestsetzung einzubeziehen, da die ESt durch die Einbehaltung der KapSt abgegolten wurde.

Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen

Die Kapitaleinkünfte aus den von C vorgetäuschten Gewinnen aus Aktienverkäufen sind dem A zum einen dadurch zugeflossen, dass sie auf seine Anweisung an seine Tochter überwiesen wurden (Leistung an einen Dritten, BFH v. 23.4.1996, VIII R 30/93, BFH/NV 1996, 364). Zum anderen hat A in Höhe der von C bescheinigten und durch fiktive Aktienkäufe “wieder angelegten” Scheinrenditen Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Denn A konnte über die Beträge verfügen, da C in den Streitjahren leistungsbereit und leistungsfähig battle. Der BFH verweist insoweit auf seine Rechtsprechung zum Zufluss von Scheinrenditen in Schneeballsystemen (BFH v. 2.4.2014, VIII R 38/13, BStBl II 2014, 698).

Zufluss auch der einbehaltenen KapSt-Beträge

Die Bemessungsgrundlage der von A aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die von C einbehaltene KapSt. Der Einbehalt der KapSt erfolgte durch C als auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) mit abgeltender Wirkung für Rechnung des A als Gläubiger der Kapitalerträge. Dem A sind demnach auch die von C für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge (zzgl. SolZ) zugeflossen (BFH v. 23.4.1996, VIII R 30/93, BFH/NV 1996, 364).

Abgeltungswirkung der einbehaltenen KapSt

Die Scheinrenditen sind jedoch nach § 2 Abs. 5b EStG nicht der ESt-Festsetzung zugrunde zu legen, da sie aufgrund des Einbehalts durch C der KapSt unterlegen haben mit der Folge, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten ist. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass die Abgeltungswirkung erst dann eintritt, wenn die einbehaltene KapSt beim FA angemeldet und abgeführt wird. Dieses Normverständnis wird auch durch die in den gesetzlichen Ausschlussregelungen zur Abgeltungswirkung vorgesehene Risikoverteilung bestätigt. Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG tritt die Abgeltungswirkung nicht ein, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Sätze 10 und 11 (früher: 8 und 9) und Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden kann. Könnte der Gläubiger gleichwohl in Anspruch genommen werden, würde die Ausnahme des § 43 Abs. 5 i.V.m. § 44 Abs. 5 EStG leerlaufen. Das FA bedient sich bei der Abgeltungsteuer – wie bei der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG – mit dem Schuldner der Kapitalerträge (bzw. der auszahlenden Stelle) eines privaten Einbehaltungspflichtigen, der dem Steuerpflichtigen (Anleger) als verlängerter Arm der Finanzverwaltung gegenübersteht, so dass dieser die Abführung der einbehaltenen KapSt nicht beeinflussen kann. Die sachgerechte Risikoverteilung gebietet demnach, dass der Fiskus den Ausfall der KapSt zu tragen hat, wenn der Abzug ordnungsgemäß erfolgt ist, die KapSt jedoch nicht an das FA abgeführt wird.

Subjektive Sicht des Anlegers

Das FA geht davon aus, die subjektive Sicht des Anlegers sei nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen entscheidend. Der BFH vertritt dagegen die Auffassung, auch bei der Abgeltungswirkung sei auf die Sicht des Anlegers abzustellen. Wenn es bei Scheinrenditen für den Zufluss entscheidend ist, dass der Anleger davon ausgehen durfte, er hätte statt des “Stehenlassens” des gutgeschriebenen Betrags die Auszahlung verlangen können, muss es auch für die Abgeltungswirkung auf die subjektive Sicht ankommen. Konnte der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass die Scheinrenditen, die ihm nach der Rechtsprechung des BFH zugeflossen sind, dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die ESt daher abgegolten.

Hinweis: Grundsatz der Folgerichtigkeit

Die Gleichheit verlangt bei der ESt eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete, folgerichtige Ausgestaltung der Belastung (BVerfG-Urteil v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210). Wenn Scheinrenditen steuerbar sind, müssen auch von einem scheinbaren Ertrag scheinbar einbehaltene Steuerabzugsbeträge berücksichtigt werden. In zwei weiteren Urteilen gleichen Datums hat der BFH im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden (BFH v. 27.10.2020, VIII R 42/18 und VIII R 3/20). Die Entscheidung hat wegen zahlreicher anhängiger Parallelfälle weitreichende Bedeutung.


BFH, Urteil v. 29.9.2020, VIII R 17/17; veröffentlicht am 14.5.2021

Alle am 14.5.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH

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Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen “Spin-Off” | Steuern https://financialoftips.com/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/ https://financialoftips.com/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/#respond Wed, 22 Feb 2023 10:26:42 +0000 https://financialoftips.com/2023/02/22/zuteilung-von-aktien-im-rahmen-eines-auslaendischen-spin-off-steuern/

Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

Hintergrund: Aufspaltung eines US-amerikanischen Unternehmens durch einen “Spin-Off”

Die Eheleute hielten in 2012 (Streitjahr) Aktien der KFI (US-amerikanische Kapitalgesellschaft). In 2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte auf die neu gegründete KFG (ebenfalls US-amerikanische Kapitalgesellschaft) und erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in M-Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Eheleute wurden dementsprechend Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank ging (unter Berücksichtigung des Börsenkurses der KFG-Aktien) von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt KapSt (zuzüglich SolZ) ein.

Die Eheleute waren der Auffassung, die Zuteilung der KFG-Aktien sei als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln. Das FA bejahte dagegen einen steuerpflichtigen Kapitalertrag, dem es den Abgeltungsteuersatz zugrunde legte. Das FG wies die Klage ab. Die Übertragung neuer Aktien im Rahmen der Aufspaltung eines Unternehmens stelle grundsätzlich eine Sachausschüttung dar, die beim Anteilseigner zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe.

Entscheidung: Drittstaatenabspaltung als steuerneutraler Anteilstausch

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Da die KFG-Aktien im Rahmen einer Drittstaatenabspaltung zugeteilt wurden, die ihrerseits einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar ist, löst der Vorgang im Streitjahr 2012 keine Besteuerung aus.

Zuteilung der KFG-Aktien als Kapitalertrag

Die Zuteilung der KFG-Aktien von der M an die Eheleute führt bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, der mit der Einbuchung der Aktien auf dem Depot in Type einer Sachausschüttung zugeflossen ist. Für diesen steuerbaren Kapitalertrag der in den USA ansässigen M (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin KFI) steht Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu. Die Eheleute waren im Streitjahr im Inland wohnhaft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig.

Keine (nicht steuerbare) Einlagenrückgewähr

Diese Sachausschüttung ist (mangels einer Einlagenrückgewähr seitens der M) nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Ausschüttung wurde nicht durch die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG finanziert. Des Weiteren handelt es sich bei dem Bilanzposten “retained earnings” nach den Feststellungen des FG um die in den früheren Jahren angesammelten Jahresüberschüsse und somit um den ausschüttbaren Gewinn i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG.

Keine Ausnahme von der Besteuerung nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG

Nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 EUR angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und (wie nach Satz 5 a.F. gefordert) die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags, die auch bei Auslandssachverhalten nicht unwiderleglich vermutet wird (BFH v. 4.5.2021, VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579, und VIII R 14/20, BFH/NV 2021, 1675), ist wegen des Börsenkurses der zugeteilten KFG-Aktien ohne weiteres möglich.

Auch keine Ausnahme nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG

Die Zuteilung der KFG-Aktien ist auch nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 und 2 EStG (steuerneutraler Anteilstausch) von der Besteuerung auszunehmen. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 7 (Abspaltung) erfüllt. Die Regelung ist jedoch im Streitjahr (2012) zeitlich noch nicht anwendbar. Satz 7 ist erstmals auf Abspaltungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das öffentliche Register nach dem 31.12.2012 erfolgt. Der streitige “Spin-Off” struggle jedoch bereits im Oktober 2012 vollzogen worden.

Drittstaatenabspaltungen in 2012 fallen jedoch noch unter § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG (steuerneutraler Anteilstausch)

Es ist umstritten, ob Abspaltungen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fallen. Uneinigkeit besteht darüber, ob bei einer Abspaltung auf Gesellschafterebene ein “Tausch” vorliegt. Der BFH konnte im Streitfall die Frage offen lassen. Jedenfalls gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit (Artwork. 63 AEUV), dass der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Anderenfalls käme es im Streitjahr zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung inländischer Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften gegenüber solchen von inländischen und ausländischen Gesellschaften der EU bzw. des EWR. Ein solcher Verstoß wäre nicht durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, gerechtfertigt. Zur Vermeidung eines unionsrechtswidrigen Zustands ist daher § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG dahingehend auszulegen, dass die Norm bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 (und somit im Streitjahr 2012) auch Drittstaatenabspaltungen erfasst.

Hinweis: Spätere Veräußerungsgewinne sind zu versteuern

Rechtsfolge des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ist, dass der “Spin-Off” und die damit verbundene Zuteilung der KFG-Aktien an die Eheleute im Streitjahr bei diesen keine Besteuerung auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der KFG-Aktien oder der M-Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Dabei ist zu beachten, dass die KFG-Aktien auf Grund der Abspaltung steuerlich (anteilig) an die Stelle der bereits gehaltenen KFI- bzw. M-Aktien treten und deren Anschaffungskosten (anteilig) übernehmen.


BFH, Urteil v. 19.10.2021, VIII R 7/20, veröffentlicht am 23.12.2021

Alle am 23.12.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

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